Raubtiere
Raubtiere
Er war im ganzen Mittelalter
Für scharfen Blick der Titelhalter.
Sodaß das Sprichwort draus erwuchs
Man habe Augen wie ein Luchs.
Er läßt, man luchse rechts und Lynx,
Sich nicht mehr sehn in Deutschland rings.
Die Preußen sagen zwar, in Bayern
Würd er noch goldne Hochzeit feiern.
Die Bayern meinen ihrerseits,
Es gäb noch welche in der Schweiz.
Die Schweizer aber glauben gern,
Er haus in Preußens Forsten fern.
So weist das abgefeimte Vieh
Noch immer nach sein Alibi.
Aus überreichem Weisheitsschatze
Schöpft unser Volk in puncto Katze.
Sprichwörter gibts da einen Haufen:
Man soll sie nicht im Sacke kaufen,
Doch auch nicht aus demselben lassen,
Man sagt, wie Hund und Katz sich hassen,
Gleich ihr verbergen seine Krallen,
Stets wieder auf die Füße fallen,
Wie sie gehn um den heißen Brei,
Daß alles für die Katz nur sei,
Daß man ihr nicht den Speck vertrau,
Daß nachts sei'n alle Katzen grau,
Daß sie das Mausen nie verlerne,
Kurz, ziemlich lieblos ists im Kerne,
Was man so von der Katze spricht;
Mit einem Wort: Man traut ihr nicht.
Die Welt zu entkatzifizieren
Die Mäuse Tag und Nacht studieren.
Der Hund gehorcht noch dem Befehle,
Die Katze nur der eignen Seele.
Ihr Rätselblick (nach Baudelaire)
Trifft haargenau das Ungefähre.
Man muß sie nehmen, wie sie ist,
Und ihr noch danken, wenn sie frißt.
Selbst dort, wo man sie schlecht behandelt,
Bleibt sie im Grunde unverwandelt.
Verhungert, struppig und verlassen
Schleicht sie im Süden durch die Gassen,
Doch ihren Willen keiner bricht:
Sie stirbt, doch sie ergibt sich nicht.
Die Katz, nach wildestem Gestreune,
Wirft Junge, oft gleich "alle Neune",
Wie da und dort der Volksmund meint,
Was freilich übertrieben scheint.
Es geht der Katze fast genau,
Im Leben so wie einer Frau:
So lang sie jung ist, lieb und nett,
Nähm jeder gern sie mit ins Bett.
"Die alte Katz!" ein jeder stöhnt,
Doch ist er sie dann schon gewöhnt.
Der Marder selbst, mit langem Wedel
Gilt wunderlicherweis als edel;
Er dürft von gleichem Adel sein,
Wie der Raubritter Heinz von Stein.
Der Marder lebt in unsrer Welt,
Teils von der Etsch bis an den Belt,
Teils bei den Schotten, Türken, Schweden,
Von Rußland gar nicht erst zu reden.
Fürs Männchen spielt, das liebestolle,
Die Rollzeit eine große Rolle.
Das Weibchen zeigt sich teilnahmslos,
Es wartet auf den Sieger bloß.
Weit übers Land soll schnell er reisen;
Oft fängt man ihn im Tellereisen.
Gewiß, er greift auch Gans und Schwan;
Mit seinen scharfen Zähnen an;
Dadurch hält sich der Mensch berechtigt,
Daß er des Otters sich bemächtigt.
Der Schütz scheint das nur vorzuschützen:
Es geht ihm um die Ottermützen!
Es hauste einst der braune Bär
In ganz Europa ungefähr.
Im Lauf der Zeiten freilich schwand
Er sogar aus dem Alpenland,
Angeblich wegen seinem Schaden.
Der letzte fiel in Berchtesgaden.
Gewiß, ein Bär bringt wenig Nutzen,
Man schoß ihn ab in den Abruzzen.
Als Kinder in der Schul wir lernten,
Es gäbe Bären noch in Kärnten.
Doch hat nun dort auch längst man jetzt
Den letzten Meister Petz verpetzt.
Der Eisbär haust am kalten Pol,
Und ohne allen Alkohol!
Doch schwimmt auch gut und geht zu Fuß
Oft weit Ursus maritimus.
Die Redensart ein jeder kennt:
Spricht man vom Wolf, kommt er gerennt.
Und wer Lateinisch kann, sagt da: "Ecce! Lupus in fabula!"
In Deutschland Wölfe nicht mehr leben,
Doch ists von Wölfen ganz umgeben.
In Frankreich sind sie zwar im Sterben,
Doch bei den Polen, bei den Serben,
In Rußlands weiten Steppen gar,
Da wimmelt es ganz schauderbar.
Von dem gefährlichen Gelichter.
Und Jäger, Reisende und Dichter -
Münchhausen etwa, der Baron -
Berichteten uns immer schon,
Treu schildernd Rußlands Art und Sitten,
Daß winters hinter jedem Schlitten,
Sogar durch Städte quer hindurch -
Natürlich nicht grad Petersburg -
Von Wölfen mindestens fünf Dutzend,
Herhetzten, so, daß weg sie putzend,
Neuladend, schnaufend, Wodka saufend,
Beschäftigt warn die Leute laufend.¹)
¹) Verse aus Eugen Roth, Tierleben, Carl Hanser Verlag, München 1948