Vögel
Vögel
Bei Forschern ist der Satz beliebt,
Daß es nichts gibt, was es nicht gibt:
Daß nichts in der Natur unmöglich,
Wär nachzuweisen schon rein vöglich.
Einst ging der Vogel auf vier Füßen;
Die Vorderbeine einzubüßen,
War für ihn aber recht vergnüglich,
Denn sie entwickelten sich flüglich.
Der Vögel König, wie Ihr wißt,
Der Adler (weil rein aarisch) ist.
Kann dieser Ruhm zurecht bestehn?
Wir wollens doch genauer sehn:
Der Aar, so sagen wir ganz kalt,
Ist Sinnbild nacktester Gewalt.
Wir lassen deshalb auch die Tadler
Zu Worte kommen übern Adler.
So schreibt zum Beispiel ein Herr Hase,
Ein Greul sei ihm die Adlernase;
Ein Fräulein Lamm aus Oberbayern,
Warnt vor ihm, wie auch Lämmergeiern.
Es meint der Schutzverband der Tauben,
Man solle Adler nicht erlauben,
Und selbst die Schlangen, klug und giftig,
Erklärn die Gründe nicht für triftig,
Den Aar in' Himmel zu erheben.
Jedoch zeigt dieser Vorwurf eben,
Daß Neid ihn ausgesonnen, gelber:
In' Himmel hebt der Aar sich selber!
Doch wirds schon aus dem Namen klar,
Ganz ohne irgend weitre Data,
Daß er als Aquila fasciata
Ein ausgesprochener Faschist
Und deshalb auszurotten ist.
Der Adler nicht, wie mancher glaubt,
Der Falk ist das Familienhaupt.
Der Kondor, allgemein geheißen,
Leicht kenntlich an dem schwarz und weißen
Gefieder und den roten Lappen,
Die ihm an Hals und Kehle pappen.
Wenn auch sehr viele schon verschwanden,
Gibts ihn doch oft noch in den Anden.
Die Eule ist, lateinisch Stryx,
Berühmt ob ihres scharfen Blicks.
Der Eule Weisheit ist nur Trug,
Sie scheint nur durch ihr Schweigen klug.
Bei Mondlicht sitzt sie nachts herum,
Das hält man dann für Studium.
Dem Tukan kommt man auf die Spur bald,
Er lebt in Surinam im Urwald,
Hat Farben voller Glanz und Feuer
Und einen Schnabel, ungeheuer.
Doch ist derselbe nur Attrappe,
Gewissermaßen nur von Pappe.
Dem nicht ganz großen Vogel wär,
Der Riesenschnabel sonst zu schwer.
Dies wäre auch noch mitzuteilen:
Der Indio schießt auf ihn mit Pfeilen,
Die nur ganz schwach getränkt mit Gift.
Er ist nicht tot, wenn man ihn trifft.
Der Weiterflug wird ihm erlaubt,
Wenn man der Federn ihn beraubt
Am Schwanze, der besonders schönen;
So kann der Tukan sich gewöhnen,
Daß es ihn gar nicht mehr verdrießt,
Wenn man ihn ab und zu erschießt.
S'gewöhnt mit jedem Treffer besser
Daran sich dieser Pfefferfresser.
Man sagt, der Wahrheit nicht gemäß.
Daß jemand wie ein Vogerl äß!
Ganz falsch! Es gilt der kleine Eis-
Auch Martinsvogel zum Beweis.
Äß, was der frißt, ein Mensch nur halb,
Verzehrte täglich er ein Kalb.
Es ist der Kuckuck oder Gauch
Schwarz quergestreift an Brust und Bauch,
Am Schwanze aber weiß gefleckt,
Falls doch mal einen Ihr entdeckt,
Und dann natürlich nicht recht wißt,
Obs auch ein echter Kuckuck ist.
Der Kuckuck ist so übel dran,
Wie nirgend sonst ein Flügelmann.
Ein Dutzend Männchen und noch mehr
Sind hinter einem Weibchen her.
Die Weiber, meist an sich schon schlecht,
Sie werdens in dem Fall erst recht.
Der gute Kuckuck, sonst verträglich,
Kriegt eine Wut drum, ganz unsäglich,
Wenn ihn im Walde, tief versteckt,
Ein böser Nebenbuhler neckt.
Die Kuckucksfrau bei ihrem Wandern
Von einem Ehebruch zum andern,
Kann sich um Kinderzucht nicht kümmern,
Und sucht drum stets nach einem Dümmern;
Kommt heimlich nieder mit dem Ei
Und trägts im Schnabel flugs herbei
Ins Nest von Piepern oder Stelzen,
Die Sorge auf sie abzuwälzen.
Der Kuckucksohn dem Ehepaar
Schmeißt aus dem Nest die Kinderschar,
Die nackten, hilflosen Gewächse,
Und frißt dann selber gleich für sechse.
Schier bringts die Pflegeeltern um,
Doch er schert sich den Kuckuck drum.
Von fremden Vögeln zähl dazu
Ich den bekannten Marabu,
Sehr groß, beinahe ungetümt,
Ob seiner Würde hochberühmt
Heißt er ja wohl auch Adjutant,
Und er weiß gut bei heiklen Sachen:
"Allein die Ruhe kann es machen!"
Man sieht manchmal Flamingos stehn,
Die rosig in die Zukunft sehn,
Trotz der so schauderhaften Zeiten;
Und, wie bei Rilke lesbar, schreiten,
Sie einzeln ins Imaginäre -
Was aber doch wohl schwierig wäre
In Afrika, wo zu Millionen
Sie dichtgedrängt die Seen bewohnen.
Jetzt kommt der Reiher an die Reih:
Laßt sehn, was das für einer sei.
Wie wunderbar ist so ein Reiher,
Wenn überm Fluß die Nebelschleier
Im ersten Sonnenstrahl verrauchen
Und die gewaltigen Vögel tauchen
Mit ihrem gewaltigen Flügelschlag
Grausilbern in den bunten Tag!
Der Kranich ist oft sehr gespässig,
Jedoch als Bote zuverlässig.
Er hat den Gruß - wie Schiller dichtet -
Des Ibykus wohl ausgerichtet.
Er heißt lateinisch auch Grus grus,
Geht teils zu Flügel, teils zu Fuß.
Der Kiebitz ist ein lauter Schreier,
Doch herrlich schmecken seine Eier.
Wir fangen füglich mit dem Schwan
Als größt- und schönstem Schwimmer an.
Unschuldig wie ein Fragebogen,
Anmutig kommt der Schwan gezogen.
Jedoch - wir sagens im Vertrauen -
Er gleicht da sehr den schönen Frauen,
Die Herrschsucht, Bosheit, tausend Tücken,
Mit Liebreiz schweigend überbrücken,
Sofern wir sie nicht grad erwischen,
Daß - wie der Schwan! - sie giftig zischen
Und ihren Hals, den süßen, weißen,
Huldvoll erheben - um zu beißen.
Die Wildgans fliegt mit hartem Schrei
In grauer Herbstnacht grau vorbei
Wie Storm geschildert hat genau:
Gans, Strand, Meer, Stadt, Nacht - alles grau.
Die Gans, mit einigem Verstand,
Möcht deshalb auch nach Süddeutschland.
Die Eiderente oder -gans
Bewohnt das Reich des Ozeans,
Wo sie, was sie zum Leben braucht,
Sich oft aus größern Tiefen taucht.
Auf Island nistet sie und Sylt,
Ihr Daunenschmuck die Betten füllt.
Erzähl den Möwen nicht, Du seist
Ein Globetrotter, weitgereist:
Die Wintermöwe lacht Dich aus,
Sie ist in China so zu Haus,
Wie in Sorrent und Afrika.
Wohin Du kommst - sie war schon da.
Der Pinguin wird mitunter müd wohl,
Dann sitzt er still auf seinem Südpol,
Denn ungestraft auf fettem Steiß
Hockt er sich stundenlang aufs Eis.
Kaum noch ein Vogel ist er, dicklich,
Zum Seehund mehr sich hin entwicklich.
Und doch ist der Pinguin der Beste:
Er wahrt sich seine weiße Weste!
Der Auerhahn, teils bunt teils schwarz,
Lebt in den Alpen und im Harz.
Leicht ist er von den Auerhennen
Durch Pracht und Größe wegzukennen.
Mit wenigen nur seinesgleichen
Sitzt er auf Fichten, Buchen, Eichen,
Dabei kommts ihm nicht darauf an,
Ob Bayrischzell, ob Turkestan.
Als Bote einer buntern Welt
Der Papagei uns wohl gefällt.
Rot, blau, gelb, bunt, manchmal auch grüner,
Der Indio hält sie wie Hühner.
Genießbar, heißt es, sei ihr Fleisch,
Doch ungenießbar ihr Gekreisch.
Die kleinsten Segler sind gewiß
Die wunderschönen Kolibris,
Wenn sie, con brio, blitzend schwirren,
Von einem Zweig zum andern flirren,
Weiß kaum man, ob dies winzige Ding
Ein Vogel oder Schmetterling.
Es sah schon vierzehnzweiundneunzig
Kolumbus sie, und fand sie einzig.
Nur ungern meldet der Verfasser,
Daß unser Sperling (Spatz, Sperk, Passer)
Als Ahnherr gilt von Fink und Star,
Ja, von der ganzen Vogelschar,
Die, ungeheuer artenreich,
Durchzieht Feld-, Wald-, und Gartenreich,
Ja, ferne in den Tropen haust,
Insekten oder Früchte schmaust.
Wer aber möchte glauben dies:
Daß Sonnenvogel, Paradies-,
Daß Leier- sowie Seidenschwanz
Den Spatzen - wie kommt soviel Glanz
In seiner Hütte? - grüßen müssen
Süß-sauer mit Verwandtenküssen?
Die Vögel, welche paradiesig,
Sind sebstverständlich niemals hiesig.
Die Göttervögel, diese schmucken,
Gibts beispielsweis auf den Molukken.
Beliebt sind, ob der schönen Arien
Die gelben Vögel aus Kanarien.
Sie singen lauter oder leiser,
Mitunter sind sie völlig heiser.
So mancher Mensch, der darauf schwört,
Er hab die Nachtigall gehört,
Verfiel nur holdem Selbstbetrug:
Es war die Drossel, die so schlug.
Die Schwalbe kommt April und Mai,
Meist einzeln, macnhmal zwei und drei.
Das alte Sprichwort meint deshalb:
Den Sommer macht nicht eine Schwalb.
Die Sommer werden jetzt zwar wärmer,
Doch scheinen sie an Schwalben ärmer.
Der Kiwi, Emu, Kasuar
Australiens, zähln zur Straußenschar.¹)
¹) Verse aus Eugen Roth, Tierleben, Carl Hanser Verlag, München 1948