Kirchenstaat

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Stato Pontificio

Unter dem Kirchenstaat versteht man das ehemalige Staatsgebiet unter päpstlicher Oberhoheit in Mittelitalien.


Territorialgeschichte

Der Kern des Kirchenstaates war das Patrimonium Petri (Erbteil des Apostel Petrus), also der Grundbesitz, den die römische Kirche seit dem 4. Jahrhundert besonders in Mittel- und Süditalien und auf Sizilien erwarb. Am umfangreichsten zu Beginn des 8. Jahrhunderts, schrumpfte er in Auseinandersetzungen mit den byzantinischen Kaisern und den langobardischen Königen auf den Dukat von Rom zusammen. Durch die Pippinsche Schenkung (754; 756 gegen die Langobarden im Kampf durchgesetzt und etwas später durch Karl den Grossen bestätigt und erweitert) kamen die bis dahin byzantinischen Gebiete des Exarchats Ravenna und der Pentapolis ("Fünfstadt" = Gebiet der fünf Seestädte an der Adria: Rimini, Pesaro, Fano, Senigallia und Ancona) und die Dukate Spoleto und Benevent hinzu. In den folgenden Jahrhunderten wuchs der Kirchenstaat, insbesonders durch die Erbschaft der reichbegüterten Markgräfin Mathilde von Tuscien (gestorben 1115). Er wurde in diesem Umfang von Kaiser Friedrich II. 1213 dem Papst Innozenz III. verbrieft, aber in der Folge zum großen Teil der Kirche wieder entfremdet, bis Papst Julius II. (1503-1513) ihn wiederherstellte und für kurze Zeit Parma und Perugia hinzugewann. Später wurde der Kirchenstat wieder mehrmals um kleinere Gebiete geschmälert ("Nepotenherrschaften"), doch gingen nur Parma und Modena dauerhaft verloren; die übrigen Gebiete fielen im 17. Jahrhundert wieder zurück.

Im Zeitalter der Französischen Revolution stark verkleinert, wurde er durch Napoleon eingezogen (1809). Der Wiener Kongreß stellte ihn nochmals im alten Umfang her (1815), doch ging er 1860 bis auf das Patrimonium und 1870 völlig Königreich Italien auf.


Rechtsgeschichte

Das Patrimonium war zunächst privates Grundeigentum der römischen Kirche, doch wuchsen den Päpsten allmählich öffentlich-rechtliche Befugnisse zu (bis zum 8. Jahrhundert unter Oberhoheit von Byzanz). Nach dem Zusammenbruch der byzantinischen Macht in Italien versuchten die Päpste, die volle Souveränität über den Kirchenstaat zu gewinnen. Sie stützten sich dabei auf die "Konstantinische Schenkung" und die "Pippinsche Schenkung". Jedoch blieb die kaiserliche Oberhoheit über den Kirchenstaat sowohl in karolingischer wie auch in deutscher Zeit bestehen und konnte nur allmählich bis 1200 abgeschüttelt werden, so daß erst seitdem ein eigentlicher Kirchenstaat bestand.

Aber die Landeshoheit der Päpste blieb noch lange Zeit bloßer Anspruch. Nur selten gelang es ihnen, sich den Adelsgeschlechtern gegenüber durchzusetzen. Immer wieder lösten diese Stücke aus dem Kirchenstaat heraus, um ihre Familie mit weltlichem Besitz auszustatten. Erst Papst Julius II. hat ihn zum Staat der Kirche gemacht.

Aber schon bald führte eine selbständige Außenpolitik unter Papst Paul IV. (1555-1559) zu einem völligen Mißerfolg. Von da an blieb der Kirchenstaat auf das Wohlwollen der Mächte angewiesen, die Italiens Geschicke bestimmten: Im 16. und 17. Jahrhundert Spanien, seitdem Österreich und Frankreich. Auch verwaltungsmäßig erreichte er trotz gelegentlicher Reformversuche niemals das Leistungsniveau anderer Staaten und war strenggenommen stets mehr eine Belastung als ein Vorteil für die Kirche.

Seine wirtschaftliche, politische und militärische Unhaltbarkeit wurde seit 1815 von Jahr zu Jahr deutlicher. Der päpstliche Protest gegen den Raub des Kirchenstaates beschränkte sich denn auch sehr rasch auf die Forderung, an die Stelle des einseitig vom Staat erlassenen Garantiegesetzes eine vereinbarte Regelung der Römischen Frage zu setzen und der päpstlichen Souveränität irgendeine territoriale Unterlage zu geben.

Beide Forderungen wurden durch die Lateranverträge zwischen Italien und der Kirche von 1929 erfüllt, die das Ende des Kirchenstaates noch einmal bekräftigten. Der historisch-symbolische Rest des Kirchenstaates ist die Vatikanstadt.


Papiergeldgeschichte

Sacro Monte di Pietà und Banco di Santo Spirito (1785)

Papiergeld wurde im Kirchenstaat zum ersten Mal während des Pontifikats von Papst Pius VI. im Jahre 1785 ausgegeben. Der Grund war ein chronischer Münzgeldmangel. Die Ausgabe von Noten oblag den beiden Banken Sacro Monte della Pietà ("Heiliger Berg des Glaubens") und Banco di Santo Spirito ("Bank des Hl. Geistes").

Ausgegeben wurden cedole (Zettel), auf Römische Scudi lautend. Sie sehen sich alle sehr ähnlich, man unterschiedet dennoch etwa 2000 Varianten!

In erster Linie unterscheidet man natürlich zwischen den beiden Banken, und dann nach den tagli (Werte) von 3 bis 3000 Scudi, und zuletzt nach den Ausgabedaten (zwischen 1785 und 1797). Die Inflation war unvermeidlich und wurde erst später durch die Römische Republik bekämpft, indem diese die höchsten Werte für ungültig erklärte und die Mengen der kleineren tagli reduzierte. Am Schluß hatten dann die cedole jeden Wert verloren.

Es ist unmöglich, den Kirchenstaat komplett zu sammeln - nicht einmal annähernd.

Sacro Monte della Pietà di Roma

Italien/Stato Pontificio, P-S6, 6 Scudi, 1785-1797

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Banco di Santo Spirito di Roma (1786 - 1796)

Gegründet 1603 von Papst Paul V.

Italien/Stato Pontificio, P-S511, 500 Scudi, 1786 - 1796

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Sacro Monte della Pietà und Banco di Santo Spirito - Republikanische Stempel (1797)

Der französische Einmarsch im Kirchenstaat begann im Juni 1797 mit der Einnahme von Ferrara und Bologna. Im folgenden Jahr fielen die Marken und Umbrien. Aus letzteren Regionen gibt es cedole, sowohl von der Sacro Monte della Pietà als auch Banco di Santo Spirito, die republikanische Stempel von Gemeinden oder andern örtlichen Behörden tragen. Der Sinn ist eine Inflationsbekämpfungsmaßnahme. Da einfach zuviel Geld im Umlauf war, waren nur Scheine mit Stempel in diesen Gebieten gültig.


Folgende Städtestempel sind bekannt:

Ancona, Assisi, Bettona, Cagli, Camerino, Cantiano, Cingoli, Città di Castello, Fano, Fossombrone, Gubbio, Macerata, Pergola, Perugia, Pesaro, Recanati und Urbino

Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden diese Stempel nur auf Werten unter 100 Scudi angebracht. Es gibt auch ganz selten Scheine mit Stempeln von zwei verschiedenen Städten.


Erste Römische Republik

Restposten der Sacro Monte della Pietà und Banco di Santo Spirito (1798)

Das recht wirre und komplizierte republikanische Gesetzeswerk zur Geldpolitik, das aus unzähligen Gesetzen, Proklamationen, Direktiven und Rundschreiben besteht, hat zuerst einmal die Werte über 35 Scudi für ungültig erklärt. Der Wert der verbleibenden Noten wurde auf ein Drittel reduziert (es folgte noch eine weitere Entwertung um ein Fünfzehntel). Die Banken waren weiter gezwungen, aufgrund der Münzknappheit nun auch Fraktionalwerte auszugegen. Beide Banken druckten nun Kleinscheine, sogenannte resti di piccolo taglio.

Die Währung lautete nun Paoli, der 10 Bajocchi entsprach.


Italien/1. Römische Republik, P-S522, 40 Bajocchi 05.08.1798-27.08.1798 - "resto" Banco di Santo Spirito

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Italien/1. Römische Republik, P-S528, 50 Bajocchi 03.07.1798-04.09.1798 - "resto" Monte di Pietà

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Römische Republik - Assegnati (Assignate) 1798

Da die Römische Republik von Frankreich erschaffen worden war, blieb es nicht aus, daß sie sich auch in der Geldpolitik an das französische Vorbild hielt. Die Französische Revolution hatte einen ganz neuen Geldtyp geschaffen: die Assignate (Anweisungen), die jedoch bereits nach eineinhalb Jahren schon wieder verschwunden war.

In Rom jedoch wurden sie per Gesetz vom 10.09.1798 wiederbelebt, und so zirkulierte die Assignate gemeinsam mit den resti dai Banchi (siehe die Bajocchi oben). Die alten pontifikalen cedole hingegen wurden nun für völlig wertlos erklärt.

Den Assignaten sollte aber auch in der Römischen Republik kein besseres Schicksal beschieden sein.


Italien/1. Römische Republik, P-S531, 3 Bajocchi 7. Jahr = 1798, Assignat

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Banca Romana und Banca dello Stato Pontificio (1834 - 1850 - 1870)

1834 wurde die Banca Romana gegründet, und mit deren Recht zur Ausgabe von Geldscheinen war also wieder eine päpstliche Währung geschaffen. Am Anfang hatte die Bank eine durchaus korrekte und gute Verwaltung (heute würde man sagen: Management). Aber schon bald wurde die Bank Opfer von einflußreichen Leuten mit alles anderem als lauteren Absichten. Die Folge war ein Rückgang der Gewinne und Effizienz.

Es gibt nur noch eine Handvoll Unikate von den Scudi-Ausgaben der Banca Romana.


Stato Pontificio - Boni del Tesoro - Schatzscheine (1848)

Es handelt sich um Staatsausgaben aus dem Jahre 1848. Ausgegeben wurden sie aufgrund einer schweren wirtschaftlichen Krise, die eindeutig politische Gründe hatte. Die Banca Romana war durch riesige Verbindlichkeiten gelähmt, ihr Papiergeld war nicht mehr einlösbar, und Münzgeld gab es keines.

Die Regierung griff daher zum Druck von Staatsbanknoten, um einigermaßen liquide zu bleiben. Diese Staatsbanknoten hatten allerdings ebenfalls einen recht inflationären Charakter.

Italien/Kirchenstaat, P-S557, 2 Scudi, 1848, Staatsbanknote

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Legazione di Bologna - Boni Provinciali (1848)

Das katastrophale Ende des ersten Kampfes um die Unabhängigkeit Italiens hatte jedoch die Anhänger der Demokraten, statt sie zu zerbrechen, nur noch in der Verfolgung ihres Zieles bestärkt. Die Feindseligkeiten gegenüber den Aristokraten und einzelnen Landesfürsten, die die nationale Einheitsbewegung nicht unterstützt hatten, verschärften sich ebenso wie gegen den Papst, dem man sogar Verrat vorwarf.

Besonders in Bologna führten diese Gefühle zum Ausbruch von Revolten, die ihren Höhepunkt am 8. August 1848 fanden, und wo es gelang, die Österreicher aus der Stadt hinauszuwerfen. Die örtlichen Agitationen und besonders die Regierungskrise in Rom verhinderten natürlich eine vernünftige Verwaltung der Provinzen. So blieb nebst anderen auch die Provinz Bologna ohne ausreichende Geldversorgung. In dieser Klemme ordnete der päpstliche Legat in Bologna am 14. August die Ausgabe von Boni im Werte von 100.000 Scudi an. Am 3. Januar des folgenden Jahres kam es zu einer weiteren Ausgabe.

Bilder von diesen Boni sind leider nirgends verfügbar. Sie sind höchst selten, und vermutlich existieren nur noch ein paar Unikate.


Boni Centrali und Locali (1849)

In ihrem nur wenige Monate dauerndem Leben (09.02.1849 - 03.07.1849) sah sich die Römische Republik großen geldpolitischen Aufgaben gegenüber. Man begann damit, die Banca Romana mit der Ausgabe von Boni zu beauftragen und zwar boni a corso forzoso, d.h. die Akzeptanz war befohlen.

Man gab Scheine mit niedrigen Werten heraus, und nicht nur in Rom (Boni Centrali), sondern auch in verschiedenen Provinzen (Boni Provinciali) und sogar für Gemeinden (Boni Comunali).

Am 04.07.1849 besetzten die Franzosen Rom erneut, und der Papst kehrte am 12.04.1850 zurück.

Italien/Römische Republik, P-S578, 2 Scudi, 1849 - "Bono Centrale"

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Italien/Römische Republik, Provinz Rieti, P-S623, 35 Bajocchi, 1849 - "Bono Provinciale"

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Italien/Römische Republik, Gemeinde Pesaro, P-S646, 1 Scudo, 1849 - "Bono Comunale"

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Zweite Römische Republik

Boni degli Esercenti (Bons für Gewerbetreibende) (1849)

In dieser chaotischen Zeit mit all ihren Tumulten war auch jenes Phänomen zu beobachten, das sehr oft in schweren Wirtschaftskrisen und Phasen politischer Instabilität auftaucht: der Mangel an kleinen Münzen.

In Rom wurde beim Wecheln von Banknoten mit großen Werten gegen Münzen ein Aufgeld ("Agio") von bis zu 22% berechnet. Aber es war einfach zuwenig Kleingeld im Umlauf. Besonders der Kleinhandel litt erheblich darunter. So bekamen einige Kaufleute in Rom die Erlaubnis, Kleingeld herzustellen.

Dies geschah auf drei Arten:

1) taglio fisso - feste Werte (gedruckt)

Signor Pietro Mengarini (Bäcker in Rom)

Italien/Zweite Römische Republik, P-NL, 2 Bajocchi, 1849, Bono degli Esercenti des Bäckers Pietro Mengarini, Rom

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2) taglio variabile - variable Werte, handgeschrieben

Angelo Annibali, (Kaffeehausbesitzer in Rom); Apotheke "Gramiccia" in Rom; Osteria via del Bufalo (Gasthaus in der Büffelstraße) in Rom


3) a madre e figlia - etwa "Umschreibungen" (Reste alter ungültiger päpstlicher Noten wurden handschriftlich mit neuen Werten versehen).

Antonio Alegiani (Zuckerbäcker, Rom); Caffè del Veneziano (Rom)


Es sind natürlich nicht mehr alle Händler bekannt, die Geld herstellen durften.


Commissariato Pontifico per le 4 Legazioni (Bologna) (1849)

Sofort nach der Besetzung Bolognas durch die Österreicher am 16.05.1849 wurde ein päpstlicher Kommissar eingesetzt, dessen Aufgabe es war, im Papiergeldumlauf klare Verhältnisse zu schaffen.

Er erklärte die Boni del Tosoro, die Scheine der Banca Romana und die Boni Provianciali' von Bologna und Forlì für gültig. Als Deckung hinterlegte er die entsprechende Summe in republikanischen Scheinen.

Dann wurde noch eine Kommission ins Leben geruffen, die Scheine mit niedrigen Wert herausgaben, die die Boni Provinciali langsam ersetzen sollten. Da letztere aber sehr verbreitet waren und auch gerne akzeptiert wurden, blieben sie trotzdem im Umlauf.

Es ist nur ein Schein der 4 Legazioni bekannt (P-S651), 20 Bajocchi, vom 01.06.1849.


Banca dello Stato Pontificio (1850 - 1870)

1849 wurde die Römische Republik aufgelöst und der Papst übernahm wieder die Regierung. In Sachen Geldpolitik gelang ihm aber nicht viel mehr als 1850 den Namen von Banca Romana in Banca dello Stato Pontificio zu ändern. Man betrieb anfangs eine vorsichtige Geldpolitik, um die Geldmenge gering zu halten. Die ersten Ausgaben lauteten auf Scudi und ab 1866 bis 1870 auf Lire. Der Papst entschied sich für die Lira und mit Edikt Nr. 10 vom 18.06.1866 wurde eine Römische Lira einer Italienischen Lira 1:1 gleichgestellt. Mit Edikt Nr. 12 vom 19.06.1866 wurden die Scudi und Bajocchi für ungültig erklärt.

Italien/Kirchenstaat, P-S687, 1 Scudo, 1866 - 1867, Kirchenstaat - Banca Romana

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Italien/Kirchenstaat, P-S703, 20 Lire, 1867 - 1870, Kirchenstaat - Banca dello Stato Pontificio

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Banca Romana - 2. Periode (1870 - 1893)

Nachdem der Kirchenstaat im Königreich Italien untergegangen war, nahm die Bank wieder den Namen Banca Romana an. Mit dem Untergang des Kirchenstaates verlieh die Regierung Italiens per Königlichem Dekret Nr. 6074 vom 02.12.1870 der Papstbank neue Statuten. Sie nannte sich nun wie schon einmal zuvor wieder Banca Romana.

Italien/P-S795, 10 Lire, 1872 - wiedererstandene Banca Romana (gedruckt bei der American Bank Note Company)


Bancaromanaperiodo2.jpg


Genaugenommen ist obige Note aber kein Geld des Kirchenstaates mehr.