Gagstätter: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Senden-20v.jpg|thumb|Senden ([[Buch:_Deutsches_Notgeld_Band_7/8|Keller]] 4770), 20 Milliarden Mark von 1923|300px]]
 
[[Bild:Senden-20v.jpg|thumb|Senden ([[Buch:_Deutsches_Notgeld_Band_7/8|Keller]] 4770), 20 Milliarden Mark von 1923|300px]]
  
Die Firma '''G. Gagstätter''' wurde im Jahr 1842 in Ulm als Holzhandlung gegründet. Knapp fünfzig Jahre blieb der Betrieb in Ulm. Aus Platzgründen zog die Firma im Jahr 1889 ins bayerische Dorf ''Senden an der Iller'' (etwa 10 km südlich von Ulm). Errichtet wurde dort ein Säge- und Hobelwerk mit angeschlossener Möbelfabrik. Der Ort Senden hatte seinerzeit weniger als 1.000 Einwohner und war eher ländlich geprägt. Die Ansiedlung der Firma Gagstätter war für die Einwohner von Senden der Beginn des Industriezeitalters. Das Firmengelände war ein 10 Hektar großer Streifen entlang der Bahnlinie Neu-Ulm - Kempten (Illertalbahn). Nachdem der Betrieb sehr gute Ergebnisse erzielen konnte, erweiterte man im Jahr 1912 den Betrieb um ein Kyanisierwerk. Dort wurden Strom- und Telegrafenmasten mittels Quecksilber(II)-chlorid-Lösung (Sublimat) imprägniert. Die dazu benötigten Becken waren 20 Meter lang und fassten mehr als 100 m³ Imprägniermittel. Später wurden auch arsenhaltige Salze zum Imprägnieren verwendet. Zu den Glanzzeiten waren vier dieser Imprägnierbecken gleichzeitig in Betrieb. Zum Schutz vor dem Wetter waren die Becken mit einer Holzhalle überbaut, die bei den Einheimischen nur ''Gifthütte'' genannt wurde. Nach dem mehrere Tage dauernden Bad ließ man die Masten unter freiem Himmel trocknen. Mit Energie versorgt wurde die Firma durch ein eigenes Kraftwerk, dass man mit Holzabfall befeuerte. Das Imprägnierwerk war 1965 nicht mehr konkurrenzfähig und wurde stillgelegt. Der Rest des Betriebes stellte im Jahr 1970 seine Tätigkeiten ein.
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Die Firma '''G. Gagstätter''' wurde im Jahr 1842 in Ulm als Holzhandlung gegründet. Knapp fünfzig Jahre blieb der Betrieb in Ulm, die Holzstraße erinnert heute noch an den Lagerplatz an der Frauenstraße. Aus Platzgründen zog die Firma im Jahr 1889 ins bayerische Dorf ''Senden an der Iller'' (etwa 10 km südlich von Ulm). Errichtet wurde dort ein Säge- und Hobelwerk mit angeschlossener Möbelfabrik. Der Ort Senden hatte seinerzeit weniger als 1.000 Einwohner und war eher ländlich geprägt. Die Ansiedlung der Firma Gagstätter war für die Einwohner von Senden der Beginn des Industriezeitalters. Das Firmengelände war ein 10 Hektar großer Streifen entlang der Bahnlinie Neu-Ulm - Kempten (Illertalbahn). Nachdem der Betrieb sehr gute Ergebnisse erzielen konnte, erweiterte man im Jahr 1912 den Betrieb um ein Kyanisierwerk. Dort wurden Strom- und Telegrafenmasten mittels Quecksilber(II)-chlorid-Lösung (Sublimat) imprägniert. Die dazu benötigten Becken waren 20 Meter lang und fassten mehr als 100 m³ Imprägniermittel. Später wurden auch arsenhaltige Salze zum Imprägnieren verwendet. Zu den Glanzzeiten waren vier dieser Imprägnierbecken gleichzeitig in Betrieb. Zum Schutz vor dem Wetter waren die Becken mit einer Holzhalle überbaut, die bei den Einheimischen nur ''Gifthütte'' genannt wurde. Nach dem mehrere Tage dauernden Bad ließ man die Masten unter freiem Himmel trocknen. Mit Energie versorgt wurde die Firma durch ein eigenes Kraftwerk, dass man mit Holzabfall befeuerte. Das Imprägnierwerk war 1965 nicht mehr konkurrenzfähig und wurde stillgelegt. Der Rest des Betriebes stellte im Jahr 1970 seine Tätigkeiten ein.
  
 
1980 wurde das Gelände für 2,5 Millionen Mark an die Stadt Senden verkauft, die auf dem Gelände einen Stadtpark errichtete. Dazu wurde die Bebauung größtenteils abgerissen. Über dem ehemaligen Imprägnierwerk wurde 1983 nach Abriss der Gifthütte mittels Bauschutt ein kleiner Hügel angelegt, der mit Bäumen bepflanzt wurde. Um die Chemikalien kümmerte man sich zunächst nicht sonderlich intensiv. Erst elf Jahre nach dem Kauf stelle man Arsen und Quecksilber im Park fest. Die Mengen hielt man allerdings lange für nicht sehr bedenklich. Mittlerweile sind die Giftstoffe auch im Grundwasser nachweisbar. Neueste Hochrechnungen gehen davon aus, das etwa 10 Tonnen Quecksilberchlorid und 3 Tonnen Arsensalze im Imprägnierwerk verarbeitet wurden. Die Entsorgung des kontaminierten Erdreiches wird mehrere Millionen Euro kosten. Einige Gebäude der ehemaligen Fabrik stehen auch heute noch.
 
1980 wurde das Gelände für 2,5 Millionen Mark an die Stadt Senden verkauft, die auf dem Gelände einen Stadtpark errichtete. Dazu wurde die Bebauung größtenteils abgerissen. Über dem ehemaligen Imprägnierwerk wurde 1983 nach Abriss der Gifthütte mittels Bauschutt ein kleiner Hügel angelegt, der mit Bäumen bepflanzt wurde. Um die Chemikalien kümmerte man sich zunächst nicht sonderlich intensiv. Erst elf Jahre nach dem Kauf stelle man Arsen und Quecksilber im Park fest. Die Mengen hielt man allerdings lange für nicht sehr bedenklich. Mittlerweile sind die Giftstoffe auch im Grundwasser nachweisbar. Neueste Hochrechnungen gehen davon aus, das etwa 10 Tonnen Quecksilberchlorid und 3 Tonnen Arsensalze im Imprägnierwerk verarbeitet wurden. Die Entsorgung des kontaminierten Erdreiches wird mehrere Millionen Euro kosten. Einige Gebäude der ehemaligen Fabrik stehen auch heute noch.

Aktuelle Version vom 12. April 2017, 15:20 Uhr

Senden (Keller 4770), 10 Milliarden Mark von 1923
Senden (Keller 4770), 20 Milliarden Mark von 1923

Die Firma G. Gagstätter wurde im Jahr 1842 in Ulm als Holzhandlung gegründet. Knapp fünfzig Jahre blieb der Betrieb in Ulm, die Holzstraße erinnert heute noch an den Lagerplatz an der Frauenstraße. Aus Platzgründen zog die Firma im Jahr 1889 ins bayerische Dorf Senden an der Iller (etwa 10 km südlich von Ulm). Errichtet wurde dort ein Säge- und Hobelwerk mit angeschlossener Möbelfabrik. Der Ort Senden hatte seinerzeit weniger als 1.000 Einwohner und war eher ländlich geprägt. Die Ansiedlung der Firma Gagstätter war für die Einwohner von Senden der Beginn des Industriezeitalters. Das Firmengelände war ein 10 Hektar großer Streifen entlang der Bahnlinie Neu-Ulm - Kempten (Illertalbahn). Nachdem der Betrieb sehr gute Ergebnisse erzielen konnte, erweiterte man im Jahr 1912 den Betrieb um ein Kyanisierwerk. Dort wurden Strom- und Telegrafenmasten mittels Quecksilber(II)-chlorid-Lösung (Sublimat) imprägniert. Die dazu benötigten Becken waren 20 Meter lang und fassten mehr als 100 m³ Imprägniermittel. Später wurden auch arsenhaltige Salze zum Imprägnieren verwendet. Zu den Glanzzeiten waren vier dieser Imprägnierbecken gleichzeitig in Betrieb. Zum Schutz vor dem Wetter waren die Becken mit einer Holzhalle überbaut, die bei den Einheimischen nur Gifthütte genannt wurde. Nach dem mehrere Tage dauernden Bad ließ man die Masten unter freiem Himmel trocknen. Mit Energie versorgt wurde die Firma durch ein eigenes Kraftwerk, dass man mit Holzabfall befeuerte. Das Imprägnierwerk war 1965 nicht mehr konkurrenzfähig und wurde stillgelegt. Der Rest des Betriebes stellte im Jahr 1970 seine Tätigkeiten ein.

1980 wurde das Gelände für 2,5 Millionen Mark an die Stadt Senden verkauft, die auf dem Gelände einen Stadtpark errichtete. Dazu wurde die Bebauung größtenteils abgerissen. Über dem ehemaligen Imprägnierwerk wurde 1983 nach Abriss der Gifthütte mittels Bauschutt ein kleiner Hügel angelegt, der mit Bäumen bepflanzt wurde. Um die Chemikalien kümmerte man sich zunächst nicht sonderlich intensiv. Erst elf Jahre nach dem Kauf stelle man Arsen und Quecksilber im Park fest. Die Mengen hielt man allerdings lange für nicht sehr bedenklich. Mittlerweile sind die Giftstoffe auch im Grundwasser nachweisbar. Neueste Hochrechnungen gehen davon aus, das etwa 10 Tonnen Quecksilberchlorid und 3 Tonnen Arsensalze im Imprägnierwerk verarbeitet wurden. Die Entsorgung des kontaminierten Erdreiches wird mehrere Millionen Euro kosten. Einige Gebäude der ehemaligen Fabrik stehen auch heute noch.

Gebäude Heutige Nutzung Koordinaten
Kraftwerks-Kamin Denkmal 48°19'19,7'' N 10°3'10,5'' E
Büro-Gebäude Vereinsheim 48°19'21,3'' N 10°3'13,7'' E
Fabrikanten-Villa Wohngebäude 48°19'20,3'' N 10°3'14'' E
Nebengebäude Öffentliche Toilette 48°19'18,9'' N 10°3'11'' E


Notgeld

Während der Hochinflation gab auch die Firma G. Gagstätter Notgeld in Auftrag. Ausgegeben wurden Scheine zu 10 und 20 Milliarden Mark, die als Datumsangabe den 26. Oktober 1923 tragen. Die Scheine wurden von der Druckerei Dr. Karl Höhn in Ulm auf Wasserzeichenpapier (Salach-S) hergestellt. Gedruckt wurden 10.600 Stück pro Nominal.